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Freitag, 8. Februar 2013

Globalisierung, Privateigentum und Konkurrenz


Friedrich Engels (1844)

Der Neoliberalismus ist eine Neuauflage des Liberalismus alter Prägung a la Adam Smith und teilt seine Grundannahme: Die Konkurrenz auf dem Markt ist die Quelle von Harmonie und Fortschritt. Die Wirklichkeit sah immer schon ganz anders
aus. Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte ist jedoch ganz deutlich eine Verschärfung der Konkurrenz weltweit. Der Weltmarkt universalisiert das Spektakel von Angebot und Nachfrage mit allen Folgen und Nebenwirkungen. Der Gegensatz
zwischen mikroökonomischer und makroökonomischer Rationalität wird durch die globalisierte Konkurrenz auf die Spitze getrieben. Einige geniale Gedankenblitze, gewonnen zur Zeit der ersten Globalisierung, hat Friedrich Engels (1844) formuliert.


„Die Konkurrenz hat alle unsere Lebensverhältnisse durchdrungen und die gegenseitige Knechtschaft, in der die Menschen sich jetzt halten, vollendet“

 

Feindselige Interessenwidersprüche aufgrund der Konkurrenz Kauf und Verkauf: Dieser Handel muß unter der Herrschaft des Privateigentums, wie jede Tätigkeit, eine unmittelbare Erwerbsquelle für den Handeltreibenden werden; d.h. jeder muß
suchen, so teuer wie möglich zu verkaufen und so billig wie möglich zu kaufen. Bei jedem Kauf und Verkauf stehen sich also zwei Menschen mit absolut entgegengesetzten Interessen gegenüber; der Konflikt ist entschieden feindselig, denn jeder kennt die Intentionen des andern, weiß, daß sie den seinigen
entgegengesetzt sind. Die erste Folge ist also auf der einen Seite gegenseitiges Mißtrauen, auf der andern die Rechtfertigung dieses Mißtrauens, die Anwendung unsittlicher Mittel zur Durchsetzung eines unsittlichen Zwecks. So ist z.B. der erste
Grundsatz im Handel die Verschwiegenheit, Verheimlichung alles dessen, was den Wert des fraglichen Artikels herabsetzen könnte. Die Konsequenz daraus: Es ist im Handel erlaubt, von der Unkenntnis, von dem Vertrauen der Gegenpartei den
möglichst großen Nutzen zu ziehen, und ebenso, seiner Ware Eigenschaften anzurühmen, die sie nicht besitzt. Mit einem Worte, der Handel ist der legale Betrug. Daß die Praxis mit dieser Theorie übereinstimmt, kann mir jeder Kaufmann, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, bezeugen….

Nix da Harmonie

…Wir haben gesehen, daß am Ende alles auf die Konkurrenz hinausläuft, solange das Privateigentum besteht. Sie ist die Hauptkategorie des Ökonomen, seine liebste Tochter, die er in einem fort hätschelt und liebkost - und gebt acht, was für ein
Medusengesicht da herauskommen wird.

Die nächste Folge des Privateigentums war die Spaltung der Produktion in zwei entgegengesetzte Seiten, die natürliche und die menschliche; den Boden, der ohne die Befruchtung des  Menschen tot und steril ist, und die menschliche Tätigkeit,
deren erste Bedingun g eben der Boden ist. Wir sahen ferner, wie sich die menschliche Tätigkeit wieder in die Arbeit und das Kapital auflöste und wie diese Seiten sich wieder feindselig gegenübertraten.

Wir hatten also schon den Kampf der drei Elemente gegeneinander, anstatt der gegenseitigen Unterstützung der drei; jetzt kommt noch dazu, daß das Privateigentum die Zersplitterung jedes dieser Elemente mit sich bringt. Ein
Grundstück steht dem andern, ein Kapital dem andern, eine Arbeitskraft der andern gegenüber. Mit andern Worten: Weil das Privateigentum jeden auf seine eigne rohe Einzelheit isoliert und weil jeder dennoch dasselbe Interesse hat wie sein Nachbar, so steht ein Grundbesitzer dem andern, ein Kapitalist dem andern, ein Arbeiter dem andern feindselig gegenüber. In dieser Verfeindung der gleichen Interessen eben um ihrer Gleichheit willen ist die Unsittlichkeit des bisherigen Zustandes
der Menschheit vollendet; und diese Vollendung ist die Konkurrenz…

Konkurrenz und Monopol

Der Gegensatz der Konkurrenz ist das Monopol. Das Monopol war das Feldgeschrei der Merkantilisten, die Konkurrenz der Schlachtruf der liberalen Ökonomen. Es ist leicht einzusehen, daß dieser Gegensatz wieder ein durchaus hohler ist. Jeder
Konkurrierende muß wünschen, das Monopol zu haben, mag er Arbeiter, Kapitalist oder Grundbesitzer sein. Jede kleinere Gesamtheit von Konkurrenten muß wünschen, das Monopol für sich gegen alle andern zu haben. Die Konkurrenz beruht auf dem Interesse, und das Interesse erzeugt wieder das Monopol; kurz, die Konkurrenz geht in das Monopol über. Auf der andern Seite kann das Monopol den Strom der Konkurrenz nicht aufhalten, ja es erzeugt die Konkurrenz selbst, wie z.B.
ein Einfuhrverbot oder hohe Zölle die Konkurrenz des Schmuggelns geradezu erzeugen. Der Widerspruch der Konkurrenz ist ganz derselbe wie der des Privateigentums selbst. Es liegt im Interesse jedes einzelnen, alles zu besitzen, aber im Interesse der Gesamtheit, daß jeder gleich viel besitze.

So ist also das allgemeine und individuelle Interesse diametral entgegengesetzt. Der Widerspruch der Konkurrenz ist, daß jeder sich das Monopol wünschen muß, während die Gesamtheit als solche durch das Monopol verlieren und es also
entfernen muß. Ja, die Konkurrenz setzt das Monopol schon voraus, nämlich das Monopol des Eigentums - und hier tritt wieder die Heuchelei der Liberalen an den Tag - und solange das Monopol des Eigentums besteht, solange ist das Eigentum
des Monopols gleichberechtigt; denn auch das einmal gegebene Monopol ist Eigentum. Welche jämmerliche Halbheit ist es also, die kleinen Monopole anzugreifen und das Grundmonopol bestehen zu lassen. Und wenn wir hierzu noch den früher erwähnten Satz des Ökonomen ziehen, daß nichts Wert hat, was nicht monopolisiert werden kann, daß also nichts, was nicht diese Monopolisierung zuläßt, in diesen Kampf der Konkurrenz eintreten kann, so ist unsere Behauptung, daß die Konkurrenz das Monopol voraussetzt, vollkommen gerechtfertigt.
 
Angebot und Nachfrage, bewusstloser Zustand

Das Gesetz der Konkurrenz ist, daß Nachfrage und Zufuhr sich stets und ebendeshalb nie ergänzen. Die beiden Seiten sind wieder auseinander gerissen und in den schroffen Gegensatz verwandelt. Die Zufuhr ist immer gleich hinter der Nachfrage,
aber kommt nie dazu, sie genau zu decken; sie ist entweder zu groß oder zu klein, nie der Nachfrage entsprechend, weil in diesem bewußtlosen Zustande der Menschheit kein Mensch weiß, wie groß diese oder jene ist. Ist die Nachfrage größer
als die Zufuhr, so steigt der Preis, und dadurch wird die Zufuhr gleichsam irritiert; sowie sie sich im Markte zeigt, fallen die Preise, und wenn sie größer wird als jene, so wird der Fall der Preise so bedeutend, daß die Nachfrage dadurch wieder
aufgereizt wird. So geht es in einem fort, nie ein gesunder Zustand, sondern eine stete Abwechslung von Irritation und Erschlaffung, die allen Fortschritt ausschließt, ein ewiges Schwanken, ohne je zum Ziel zu kommen. Dies Gesetz mit seiner steten Ausgleichung, wo, was hier verloren, dort wieder gewonnen wird, findet der Ökonom wunderschön. Es ist sein Hauptruhm, er kann sich nicht satt daran sehen und betrachtet es unter allen möglichen und unmöglichen Verhältnissen. Und doch liegt auf der Hand, daß dies Gesetz ein reines Naturgesetz, kein Gesetz des Geistes ist. Ein Gesetz, das die Revolution erzeugt.

Zersplitterte Atome

Der Ökonom kommt mit seiner schönen Theorie von Nachfrage und Zufuhr heran, beweist euch, daß »nie zuviel produziert werden kann«, und die Praxis antwortet mit den Handelskrisen, die so regelmäßig wiederkehren wie die Kometen und deren wir jetzt durchschnittlich alle fünf bis sieben Jahre eine haben. Diese Handelskrisen sind seit achtzig Jahren ebenso regelmäßig gekommen wie früher die großen Seuchen - und haben mehr Elend, mehr Unsittlichkeit mit sich gebracht als
diese (vgl. Wade, »Hist[ory] ot the Middle and Working Classes«, London 1835, p. 211). Natürlich bestätigen diese Handelsrevolutionen das Gesetz, sie bestätigen es im
vollsten Maße, aber in einer andern Weise, als der Ökonom uns glauben machen möchte. Was soll man von einem Gesetz denken, das sich nur durch periodische Revolutionen durchsetzen kann? Es ist eben ein Naturgesetz, das auf der Bewußtlosigkeit der Beteiligten beruht. Wüßten die Produzenten als solche, wieviel
die Konsumenten bedürften, organisierten sie die Produktion, verteilten sie sie unter sich, so wäre die Schwankung der Konkurrenz und ihre Neigung zur Krisis unmöglich. Produziert mit Bewußtsein, als Menschen, nicht als zersplitterte Atome
ohne Gattungsbewußtsein, und ihr seid über alle diese künstlichen und unhaltbaren Gegensätze hinaus. Solange ihr aber fortfahrt, auf die jetzige unbewußte, gedankenlose, der Herrschaft des Zufalls überlassene Art zu produzieren, solange
bleiben die Handelskrisen; und jede folgende muß universeller, also schlimmer werden als die vorhergehende, muß eine größere Menge kleiner Kapitalisten verarmen und die Anzahl der bloß von der Arbeit lebenden Klasse in steigendem
Verhältnisse vermehren - also die Masse der zu beschäftigenden Arbeit, das Hauptproblem unserer Ökonomen, zusehends vergrößern und endlich eine soziale Revolution herbeiführen, wie sie sich die Schulweisheit der Ökonomen nicht träumen läßt.

Fairer Handel?

Die ewige Schwankung der Preise, wie sie durch das Konkurrenzverhältnis geschaffen wird, entzieht dem Handel vollends die letzte Spur von Sittlichkeit. Von Wert ist keine Rede mehr; dasselbe System, das auf den Wert soviel Gewicht zu legen scheint, das der Abstraktion des Wertes im Gelde die Ehre einer besondern Existenz gibt - dies selbe System zerstört durch die Konkurrenz allen inhärenten Wert und verändert das Wertverhältnis aller Dinge gegeneinander täglich und stündlich.

Wo bleibt in diesem Strudel die Möglichkeit eines auf sittlicher Grundlage beruhenden Austausches? In diesem fortwährenden Auf und Ab muß jeder suchen, den günstigsten Augenblick zum Kauf und Verkauf zu treffen, jeder muß Spekulant werden, d.h. ernten, wo er nicht gesäet hat, durch den Verlust anderer sich bereichern, auf das Unglück andrer kalkulieren oder den Zufall für sich gewinnen
lassen. Der Spekulant rechnet immer auf Unglücksfälle, besonders auf Mißernten, er benutzt alles, wie z.B. seinerzeit den Brand von New York, und der Kulminationspunkt der Unsittlichkeit ist die Börsenspekulation in Fonds, wodurch
die  Geschichte und in ihr die Menschheit zum Mittel herabgesetzt wird, um die Habgier des kalkulierenden oder hasardierenden Spekulanten zu befriedigen. Und möge sich der ehrliche, »solide« Kaufmann nicht pharisäisch über das Börsenspiel erheben - ich danke dir Gott usw. Er ist so schlimm wie die Fondsspekulanten, er spekuliert ebensosehr wie sie, er muß es, die Konkurrenz zwingt ihn dazu, und sein Handel impliziert also dieselbe Unsittlichkeit wie der ihrige.

Fieberhitze

Der Kampf von Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit, Boden gegen Boden treibt die Produktion in eine Fieberhitze hinein, in der sie alle natürlichen und vernünftigen Verhältnisse auf den Kopf stellt. Kein Kapital kann die Konkurrenz des
andern aushalten, wenn es nicht auf die höchste Stufe der Tätigkeit gebracht wird. Kein Grundstück kann mit Nutzen bebaut werden, wenn es nicht seine Produktionskraft stets steigert.

Kein Arbeiter kann sich gegen seine Konkurrenten halten, wenn er nicht seine ganzen Kräfte der Arbeit widmet. Überhaupt keiner, der sich in den Kampf der Konkurrenz einläßt, kann ihn ohne die höchste Anstrengung seiner Kräfte, ohne
die Aufgebung aller wahrhaft menschlichen Zwecke aushalten.

Die Folge von dieser Überspannung auf der einen Seite ist notwendig Erschlaffung auf der andern. Wenn die Schwankung der Konkurrenz gering ist, wenn Nachfrage und Zufuhr, Konsumtion und Produktion sich beinahe gleich sind, so muß in der Entwicklung der Produktion eine Stufe eintreten, in der so viel überzählige Produktionskraft vorhanden ist, daß die große Masse der Nation nichts zu leben hat; daß die Leute vor lauter Überfluß verhungern. In dieser wahnsinnigen Stellung,
in dieser lebendigen Absurdität befindet sich England schon seit geraumer Zeit. Schwankt die Produktion stärker, wie sie es infolge eines solchen Zustandes notwendig tut, so tritt die Abwechslung von Blüte und Krisis, Überproduktion und
Stockung ein.

Die der Menschheit zu Gebote stehende Produktionskraft ist unermeßlich. Die Ertragsfähigkeit des Bodens ist durch die Anwendung von Kapital, Arbeit und Wissenschaft ins Unendliche zu steigern. Das »übervölkerte« Großbritannien kann nach der Berechnung der tüchtigsten Ökonomen und Statistiker (vgl. Alisons »Principle of population«, Bd. 1, Cap. 1 et 2) in zehn Jahren dahin gebracht werden, daß es Korn genug für das Sechsfache seiner jetzigen Bevölkerung produziert. Das Kapital steigert sich täglich; die Arbeitskraft wächst mit der Bevölkerung, und die Wissenschaft unterwirft den Menschen die Naturkraft täglich mehr und mehr. Diese
unermeßliche Produktionsfähigkeit, mit Bewußtsein und im Interesse aller gehandhabt, würde die der Menschheit zufallende Arbeit bald auf ein Minimum verringern; der Konkurrenz überlassen, tut sie dasselbe, aber innerhalb des
Gegensatzes. Ein Teil des Landes wird aufs beste kultiviert, während ein andrer - in Großbritannien und Irland 30 Millionen Acres gutes Land - wüst daliegt. Ein Teil des Kapitals zirkuliert mit ungeheurer Schnelligkeit, ein andrer liegt tot im Kasten.

Ein Teil der Arbeiter arbeitet vierzehn, sechzehn Stunden des Tages, während ein anderer faul und untätig dasteht und verhungert. Oder die Verteilung tritt aus dieser Gleichzeitigkeit heraus: Heute geht der Handel gut, die Nachfrage ist sehr
bedeutend, da arbeitet alles, das Kapital wird mit wunderbarer Schnelligkeit umgeschlagen, der Ackerbau blüht, die Arbeiter arbeiten sich krank - morgen tritt eine Stockung ein, der Ackerbau lohnt nicht der Mühe, ganze Strecken Landes bleiben unbebaut, das Kapital erstarrt mitten im Flusse, die Arbeiter haben keine Beschäftigung, und das ganze Land laboriert an überflüssigem Reichtum und überflüssiger Bevölkerung. 

Gegenseitige Knechtschaft

Die Konkurrenz hat alle unsre Lebensverhältnisse durchdrungen und die gegenseitige Knechtschaft, in der die Menschen sich jetzt halten, vollendet. Die Konkurrenz ist die große Triebfeder, die unsre alt und schlaff werdende soziale
Ordnung, oder vielmehr Unordnung, immer wieder zur Tätigkeit aufstachelt, aber bei jeder neuen Anstrengung auch einen Teil der sinkenden Kräfte verzehrt. Die Konkurrenz beherrscht den numerischen Fortschritt der Menschheit, sie beherrscht auch ihren sittlichen. Wer mit der Statistik des Verbrechens sich etwas bekannt gemacht hat, dem muß die eigentümliche Regelmäßigkeit aufgefallen sein, mit der das Verbrechen alljährlich fortschreitet, mit der gewisse Ursachen gewisse Verbrechen erzeugen. (…) Mir kommt es hier bloß darauf an, die Ausdehnung der Konkurrenz auch auf das moralische Gebiet nachzuweisen und zu zeigen, zu welcher tiefen Degradation das Privateigentum den Menschen gebracht hat.

Wissenschaft gegen die Arbeit

In dem Kampfe von Kapital und Boden gegen die Arbeit haben die beiden ersten Elemente noch einen besonderen Vorteil vor der Arbeit voraus - die Hülfe der Wissenschaft, denn auch diese ist unter den jetzigen Verhältnissen gegen die Arbeit
gerichtet.... Die letzte große Erfindung in der Baumwollspinnerei, die Selfacting Mule, wurde ganz allein durch die Frage nach Arbeit und den steigenden Lohn veranlaßt - sie verdoppelte die Maschinenarbeit und beschränkte dadurch die Handarbeit auf die Hälfte, warf die Hälfte der Arbeiter außer Beschäftigung
und drückte dadurch den Lohn der andern auf die Hälfte herab; sie vernichtete eine Verschwörung der Arbeiter gegen die Fabrikanten und zerstörte den letzten Rest von Kraft, mit dem die Arbeit noch den ungleichen Kampf gegen das Kapital ausgehalten hatte (vgl. Dr. Ure, »Philosophy of Manufactures «,Bd. 2). Der Ökonom sagt nun zwar, daß im Endresultate die Maschinerie günstig für die Arbeiter sei, indem sie die Produktion billiger mache und dadurch einen neuen größeren
Markt für ihre Produkte schaffe und so zuletzt die außer Arbeit gesetzten Arbeiter doch wieder beschäftige. Ganz richtig; aber vergißt der Ökonom denn hier, daß die Erzeugung der Arbeitskraft durch die Konkurrenz reguliert wird, daß die Arbeitskraft stets auf die Mittel der Beschäftigung drückt, daß also, wenn diese Vorteile eintreten sollen, bereits wieder eine Überzahl von Konkurrenten für Arbeit darauf wartet und dadurch diesen Vorteil illusorisch machen wird, während der
Nachteil, die plötzliche Wegnahme der Subsistenzmittel für die eine und der Fall des Lohns für die andere Hälfte der Arbeiter, nicht illusorisch ist? Vergißt der Ökonom, daß der Fortschritt der Erfindung nie stockt, daß also dieser Nachteil sich verewigt?
Vergißt er, daß bei der durch unsere Zivilisation so unendlich gesteigerten Teilung der Arbeit ein Arbeiter nur dann leben kann, wenn er an dieser bestimmten Maschine für diese bestimmte kleinliche Arbeit verwendet werden kann? daß der
Übergang von einer Beschäftigung zu einer andern, neuern, für den erwachsenen Arbeiter fast immer eine entschiedene Unmöglichkeit ist?...
 
Soziale Polarisierung durch Konkurrenz

(...) Die Konkurrenz setzt also Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit, Grundbesitz gegen Grundbesitz, und ebenso jedes dieser Elemente gegen die beiden andern. Im Kampf siegt der Stärkere, und wir werden, um das Resultat dieses Kampfes vorauszusagen, die Stärke der Kämpfenden zu untersuchen haben. Zuerst sind Grundbesitzer und Kapital jedes stärker als die Arbeit, denn der Arbeiter muß arbeiten, um zu leben, während der Grundbesitzer von seinen Renten und der
Kapitalist von seinen Zinsen, im Notfalle von seinem Kapital oder dem kapitalisierten Grundbesitz leben kann.

Die Folge davon ist, daß der Arbeit nur das Allernotdürftigste, die nackten Subsistenzmittel zufallen, während der größte Teil der Produkte sich zwischen dem Kapital und dem Grundbesitz verteilt. Der stärkere Arbeiter treibt ferner den
schwächeren, das größere Kapital das geringere, der größere Grundbesitz den
kleinen aus dem Markt. Die Praxis bestätigt diesen Schluß.

Die Vorteile, die der größere Fabrikant und Kaufmann über den kleinen, der große Grundbesitzer über den Besitzer eines einzigen Morgens hat, sind bekannt. Die Folge hiervon ist, daß schon unter gewöhnlichen Verhältnissen das große Kapital und der große Grundbesitz das kleine Kapital und den kleinen Grundbesitz nach dem Recht des Stärkeren verschlingen - die Zentralisation des Besitzes, in Handels- und
Agrikulturkrisen geht diese Zentralisation viel rascher vor sich. - Großer Besitz
vermehrt sich überhaupt viel rascher als kleiner, weil von dem Ertrag ein viel geringerer Teil als Ausgaben des Besitzes in Abzug kommt. Diese Zentralisation des Besitzes ist ein dem Privateigentum ebenso immanentes Gesetz wie alle andern; die
Mittelklassen müssen immer mehr verschwinden, bis die Welt in Millionäre und Paupers, in große Grundbesitzer und arme Taglöhner geteilt ist. Alle Gesetze, alle Teilung des Grundbesitzes, alle etwaige Zersplitterung des Kapitals hilft nichts - dies Resultat muß kommen und wird kommen, wenn nicht eine totale Umgestaltung der sozialen Verhältnisse, eine Verschmelzung der entgegengesetzten Interessen, eine
Aufhebung des Privateigentums ihm zuvorkommt.

Alternative

Die Wahrheit des Konkurrenzverhältnisses ist das Verhältnis der Konsumtionskraft zur Produktionskraft. In einem der Menschheit würdigen Zustande wird es keine andre Konkurrenz als diese geben. Die Gemeinde wird zu berechnen haben,
was sie mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln erzeugen kann, und nach dem Verhältnis dieser Produktionskraft zur Masse der Konsumenten bestimmen, inwieweit sie die Produktion zu steigern oder nachzulassen, inwieweit sie dem Luxus nachzugeben oder ihn zu beschränken hat. Um aber über dies Verhältnis
und die von einem vernünftigen Zustande der Gemeinde zu erwartende Steigerung der Produktionskraft richtig zu urteilen, mögen meine Leser die Schriften der englischen Sozialisten und zum Teil auch Fouriers vergleichen. Die subjektive
Konkurrenz, der Wettstreit von Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit usw., wird sich unter diesen Umständen auf den in der menschlichen Natur begründeten und bis jetzt nur von Fourier erträglich entwickelten Wetteifer reduzieren, der nach der Aufhebung der entgegengesetzten Interessen auf seine eigentümliche und vernünftige Sphäre beschränkt wird.


[Auszüge aus: Engels: Umrisse zu einer Kritik der
Nationalökonomie, Marx-Engels Werke Berlin, Bd. 1, S. 511
ff.)]


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