Hier habe eine 40 Jahre alte Sendung ausgegraben. Aber angesichts der heutigen Entwicklungen mit Globalisierung und Neokolonialismus und Neo-Rassismus ist das Buch so aktuell wie je zuvor. Aber selbst damals,
als das Klima noch nicht völlig umgeschlagen hatte, fand sich für dieses wunderbare Buch kein Verlag. Ich habe gerade kurz gegoogelt, aber sein Buch auf die Schnelle nicht gefunden. Auf Englisch müsste es sich noch irgendwo/irgenwie zu erhalten sein - und auf Schwedisch auch. Aber dafür habe ich eine tolle Beiographie von einem Chinesen über ihn gefunden mit einer Reihe von Fotos sogar aus seiner Kindheit und Jugend. Aber die muss ich in Ruhe lesen. Hier ist der link.
Rewi
Alley/Hans Miller: 4oo Jahre westlicher Imperialismus in China
Einar
Schlereth
für
den NDR
am
12. September 1973
.
Vor
kurzem hat der renommierte schwedische Verlag Gidlunds in
Zusammenarbeit
mit der schwedisch-chinesischen Freundschaftsgesellschaft das
umfangreiche Buch '4oo Jahre westlicher Imperialismus in China'
von Rewi Alley mit einem Vorwort von Jan Myrdal herausgebracht.
Obwohl Rewi, Alley in hunderten Büchern und Reportagen vorkommt, so
bei Agnes Smedley, Anna Wang, Edgar Snow, ist er bei uns so gut wie
unbekannt, ist bei uns noch keine seiner zahlreichen
Veröffentlichungen publiziert worden. Wer ist Rewi Alley?
1897
in Neu-Seeland geboren, nahm er mit jungen Jahren am 1. Weltkrieg
teil, wurde verwundet und dekoriert, wurde Schafzüchter in seiner
Heimat und kam als 3o-jähriger nach Shanghai. Als Fabrikinspektor
kämpfte er gegen Kinderarbeit, Korruption und verantwortungslose
Beamte, setzte sich mit allen Mitteln für Arbeitsschutz und die
Gesundheit der Arbeiter ein. Später gehörte er zu den führenden
Leuten in der internationalen Solidaritätsarbeit für den Kampf
Chinas gegen den japanischen Faschismus.
Er
begann lokale Produktionskooperativen aufzubauen, die, weil
erfolgreich, von Tschiang Kai-schek zerschlagen wurden. Mitten
im Krieg baute Alley Schulen von einem ganz neuen Typ auf. Schulen,
die vom Volk selbst gegründet wurden und sich selbst versorgen
sollten. Schulen, die eine Einheit aus Landwirtschaft,
Industrie, Viehzucht und allseitiger geistiger und technischer
Erziehung bilden sollten. Nach dem Krieg hatten sich diese Schulen
stabilisiert und ihre Erfahrungen wurden verallgemeinert. Es ist
sicherlich nicht übertrieben, zu behaupten, daß Rewi Alley einen
großen Beitrag zum chinesischen Erziehungswesen, das zu den
fortschrittlichsten der Welt gehört, geleistet hat.
Aber
in diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu wissen, daß Rewi Alley den
Imperialismus und seine Auswirkungen auf China gründlich
kennengelernt hat, weshalb Jan Myrdal im Vorwort schreiben konnte:
"Ich
kenne niemanden, der das Buch wie Rewi Alley hätte schreiben können.
Denn er ist außerordentlich belesen, er hat ungewöhnlich reiche
Erfahrungen, sein Wissen um Kolonialismus und Imperialismus ist in
einem Leben von Arbeit und Kampf geformt worden.”
Dieses
Buch, ist ein interessantes und ein wichtiges Buch. Alley läßt die
koloniale und imperialistische Ära sich selbst schreiben, Zitat an
Zitat von den damals Handelnden, von denen, die selbst dabei waren.
Dieses Buch entrollt, um Marx' Worte über den holländischen
Kolonialismus in Indonesien zu gebrauchen, 'ein unübertreffliches
Gemälde von Verrat, Bestechung, Meuchelmord und Niedertracht'. Auch
wenn man beim lesen geneigt ist, Marx Unrecht zu geben, man würde
sich nur selbst ins Unrecht setzen. Diese Gemälde, ob von China,
Indonesien, Indien oder Deutsch-Südwestafrika, sie übertreffen
einander nicht, sie ähneln einander auf erschreckende Weise. Aber
vielleicht noch erschreckender unsere diesbezügliche Unwissenheit.
Wir können die Volksschule, das Gymnasium und die Universität
durchlaufen, aber die Geschichte der Unterdrückung und Demütigung
eines großen Volkes, wie sie hier auszugsweise vorliegt, bleibt uns
völlig unbekannt. So unbekannt übrigends wie die Geschichte unseres
eigenen Volkes. Was wir lernen, das sind doch nur die Geschichten
unserer Beherrscher und wen interessieren die schon.
Warum
ist das Buch wichtig? Einen wesentlichen Grund nennt Myrdal, indem er
die rhetorische Frage, ob es denn notwendig sei, den klassischen
Kolonialismus zu studieren, folgendermaßen beantwortet:
"Der
das sagt, begreift nicht, daß 'unsere Zeit' nicht nur die 'unsrige'
ist; sie ist aus dem geformt, das vergangen und vorbei ist.
Sie
ist nicht aus dem Nichts entstanden. Ohne Geschichte sind wir
hilflos, tastend, täppisch und zu vernünftigem politischem Handeln
unfähig. - Ohne den Kolonialismus zu studieren, können wir uns vom
Entstehen des europäischen Kapitalismus keinen Begriff machen.- Und
was schlimmer ist, die Vorstellungen und Vorurteile, die
Kolonialismus und Imperialismus zu ihrer Verteidigung geschaffen
haben, beherrschen immer noch unser Denken."
Das
ist sicherlich nicht zuviel gesagt, wenn man die Verhaltensweisen
gegenüber Menschen anderer Rasse hierzulande und im Ausland, die
stereotypen Sprachmuster und unsere Arroganz angesichts fremder
Geschichte und Kultur in Rechnung stellt.
Die
Geschichte des westlichen Kolonialismus in China beginnt 1516 mit der
Ankunft eines portugiesischen Schiffes bei Kanton. Obwohl die
Portugiesen freundlich empfangen wurden, man ihnen erlaubte, Handel
zu treiben, dauerte es nur 26 Jahre, bis sie sich alle Sympathien
gründlich verscherzt hatten. 1543 wurden sie militärisch geschlagen
und des Landes verwiesen. Und damals schon kamen in China die
Wendungen 'Teufel in Menschengestalt' und 'Fluch Gottes' als Synonyme
für Europäer auf.
Alley's
Dokumentation veranschaulicht, warum die Europäer als 'Teufel'
handeln mußten. Sie kamen nach China quasi als Bettler. Nur hatten
diese Bettler eine besondere Eigenart. Sie waren bis an die Zähne
bewaffnet und - das ist der entscheidende Punkt - besser bewaffnet
als alle anderen Völker. Was die Europäer als Waren anzubieten
hatten, war in chinesischen Augen schlichtweg Schund. Was die
Chinesen dagegen anzubieten hatten, an Seiden-und Porzellanwaren,
seltenen Gewürzen,
Tee
und
Stoffen
waren in Europa begehrte Luxusartikel. Die beliebteste
Methode
der Europäer, um in den Besitz dieser kostbaren Dinge zu kommen, war
das Stehlen und Plündern. Aber solange ihre militärische
Überlegenheit noch nicht sonderlich groß war (etwa bis zum Beginn
des 18.Jh.
mußten
die europäischen Kaufleute zu ihrem Leidwesen in gediegenem Silber
bezahlen. Dieses Silber hatte 'eine blutbe&fleckte Geschichte'.
Es
wurde von amerikanischen Indianern gebrochen, die in Peru, und Mexiko
unter der Peitsche arbeiteten. Einen großen Teil bezahlten die
Spanier für Negersklaven an die britischen Sklavenhändler. Die
Briten verwendeten es, um in Indien schöne Stoffe und Gewürze zu
kaufen. Und schließlich, nach der Eroberung Indiens, pressten die
Engländer es durch Zwangssteuern wieder aus Indien heraus'. Via den
Seiden-und Porzellanhandel gelangte das Silber nach China und die
Europäer standen vor dem Problem einer permanent negativen
Handelsbilanz. Bis die Engländer einen genialen Einfall hatten. Sie
ließen in Indien Mohn zur Opiumproduktion anbauen. Nur wollten die
indischen Bauern nicht. Sie wurden gezwungen und mangels Reis
entstanden die ersten großen Hungerkatastrophen. Mit dem Opium
bezahlten die Briten in China für Seide, Tee und Porzellan. Nur
wollten die Chinesen nicht, denn in China war Opium nur für
medizinische Zwecke erlaubt.
Sie
wurden mit
Waffengewalt
gezwungen
und damit wurde eines der schändlichsten Kapitel europäischer
Zivilisation aufgeschlagen. Das chinesische Volk und die
Mandschu-Kaiser wehrten sich erbittert gegen die Verbreitung des
Giftes. Aber ihr Widerstand konnte erst in den beiden Opiumkriegen
von 1840-42 und 57-58 gebrochen werden, die 'praktisch keine Kriege
waren, nur eine Reihe von Blutbädern und Massakern'.
Im
Nankingvertrag von 1843 verlor China einen Teil seiner souveränen
Rechte. Es mußte außerdem Hongkong abtreten und den Opiumhandel
legalisieren. Dies war der erste einer endlosen Reihe von Verträgen,
die China’s Würde auf den Nullpunkt reduzierten und sein Elend ins
Unermeßliche steigen ließen.
Unmittelbares
Resultat des Imports von Opium und billigen Fabrikwaren, des
Silberabflusses, der Kriegsreparationen, des Regierungsverfalls und
der dadurch bedingten zunehmenden Unterdrückung der Bauern war die
Taipingrevolution, die von 1850-65 dauerte und nur durch massive
ausländische Einmischung niedergeschlagen werden konnte. Dieselben
Ursachen führten 35 Jahre später zum Boxeraufstand, dessen
qualitativ neue Seite es war,daß er sich eindeutig gegen den
westlichen Imperialismus richtete. Der relativ kleine Anstoß der
bürgerlich-demokratischen Revolution von 1911
genügte dann, um die innerlich und äußerlich geschwächte
Mandschudynastie zu stürzen. Aber es sollten nochmals 4o Jahre
vergehen, bevor das Ziel des Boxeraufstandes, Befreiung der
Produktivkräfte, nationale Unabhängigkeit und wirtschaftliche
Selbstständigkeit erreicht wurde.
Alle
diese historischen Epochen werden von Alley eingehend beleuchtet,
ohne daß die inneren und äußeren Zusammenhänge verloren gehen.
Vor allem widmet er der kulturellen Aggression, als christliches
Bekehrertum getarnt, breiten Raum. Die enge Verbindung von Missionar,
Kaufmann, Soldat und Diplomat, häufig in Form der Personalunion,
erstrahlt in den schillerndsten Farben.
Fast
belustigend ist es zu sehen, wie gut von imperialistischen Vertretern
die Verbrechen und Schandtaten beobachtet wurden - bei den anderen.
So schreibt ein Amerikaner über die Portugiesen: „Ihre Gier,
Gesetzlosigkeit und Gewalttätigkeit wurden für die Chinesen zum
Kennzeichen für Ausländer.“
Ein
Brite über die Amerikaners: „Ein sehr großer Teil des
lichtscheuen Gesindels, das sich von Zeit zu Zeit für das Leben an
der chinesischen Küste interessiert, waren Amerikaner.- Viele der
aristokratischen Vermögen von Boston wurden mit Opiumhandel
begründet.”
Oder
ein anderer Engländer über die Deutschen: „In der
Distrikthauptstadt von Yung Ching Hsien machten die Deutschen einen
Besuch und töteten 15o Personen ohne eigene Verluste, unter so
haarsträubenden Umständen, daß die Briten die der Stadt
auferlegten Geldstrafen zurückgaben, um die akute
Not,
die die Barbarei der Deutschen verursacht hatte, zu lindern.”
Seltener
sind die Zeugen, die so ehrlich sind, wie der deutsche kaiserlich«
Offizier, der zum dänischen Botschafter sagte:” Wenn ich Fasanen
schießen gehe, schieße ich die Männchen und schone die Weibchen,
töte ich die Alten und lasse die Jungen entkommen; aber wenn ich
Chinesen jage, dann töte ich sie alle, Männer und Frauen, Alte und
Junge.”
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